Interview Victoria Utri | Streetworkerin bei Straßenkinder e.V.
Fragen: Laura Hensen
Foto: Straßenkinder e.V.
Wetter: sonnig, 19°C
STRAKI – Was motiviert dich zu deiner Arbeit?
VICI – Ich liebe es, mit Heranwachsenden zu arbeiten und ihr Potenzial heraus zu kitzeln. Mit jungen Menschen zu arbeiten, die absolut am Rande der Gesellschaft stehen und durch alle Raster des Systems gefallen sind, hat mich sehr gereizt. Denn unsere Kids sind krass bemerkenswerte kreative Überlebenskünstler, die die Welt mit anderen Augen sehen. Da ist ganz viel Hoffnung.
STRAKI – Wie hast du die Herausforderungen der Corona-Pandemie wahrgenommen?
VICI – Ich war sehr dankbar, dass wir unsere Arbeit trotz Corona weitermachen konnten. Trotzdem wurde es viel schwieriger. Wir können bis heute weniger Leute in der Anlaufstelle aufnehmen und sind darauf bedacht, dass jeder maximal 15 Minuten Zeit bekommt. Der Bedarf ist aber höher, in 15 Minuten sich in den Räumlichkeiten aufwärmen, Essen ausgeben oder neue Bekleidung oder Schuhe zu finden, geschweige denn ein ordentliches Gespräch zu führen, ist fast nicht möglich. Da leiden unsere Klienten sehr stark und ich mit ihnen. Es lässt sich aber nicht ändern.
STRAKI – Was wünschst du dir für das kommende Jahr?
VICI – Ich wünsche mir, mehr Qualitätszeit mit den Straßenkids zu verbringen. Mit ihnen ein Eis essen zu gehen, kreative Projekte umzusetzen und gute Gespräche zu führen. Durch Corona wurde unsere Arbeit sehr auf eine Not- und Grundversorgung herunter geschraubt. Jetzt suchen wir Wege, trotz Corona den Leuten wieder persönlicher und intensiver zu begegnen, denn unsere Arbeit lebt von Beziehungsarbeit.
STRAKI – Was war dein Highlight im Jahr 2020?
VICI – Unser Theaterprojekt, das über 8 Monate gedauert hat und im März 2020 zwei Tage vor dem ersten großen Lockdown seine Premiere hatte! Eine unglaublich intensive Zeit, die es in sich hatte und durch die aufkommende Corona-Pandemie nochmal schwieriger wurde! Aber wir haben es gerockt und die Kids hatten eine tolle Zeit. Ein weiteres Highlight war es, trotz des Lockdowns für unsere Kids weiter da sein zu können. Und ein drittes kleines Highlight war die Verabschiedung eines Klienten. Ich lernte ihn vor 4 Jahren kennen, mittlerweile ist er von der Straße runter und hat im November 2020 seine Lehre zum Dachdecker abgeschlossen. Das haben wir gemeinsam gefeiert. Schön, dass er uns jetzt nicht mehr braucht und so richtig losstartet, aber auch traurig ihn nicht mehr regelmäßig zu sehen! Aber unser Job ist es ja uns selbst arbeitslos zu machen und eben nicht mehr gebraucht zu werden.
Mehr interessante Fakten über den Straßenkinder e. V. findet ihr im aktuellen Jahresbericht.